Tagesarchiv: April 24, 2011

Frohe Ostern…

…die ich dieses Jahr leider nicht mit meiner Familie, jedoch wieder in der EU, genauer gesagt in Klaipeda, der ältesten Stadt Litauens ( erstmals 1252 erwähnt ), feiern werde.

Nachdem ich am Dienstag, den 19.4 gegen 4.40 Uhr in Danzig abgelegt bin und eine gute Stunde später bei den polnischen Grenzern ausklariert habe, gab es eine Überfahrt nach Baltisk mit anfänglich 3, später auf 18 Knoten auffrischenden Winden aus NNO Richtungen. Wie es so beim Segeln ist habe ich die ruhigen Phasen genutzt um einige kleine Reparaturen und Verbesserungen am Schiff zu erledigen. Leider habe ich dafür meinen ( nicht echten ) Leatherman genutzt der sich dann auch prompt während einer Reparatur geschlossen hat. Dazwischen : Mein linker Daumen…  mit einer ziemlich tiefen Schnittverletzung die ich mit Steristrips geklebt und einem Druckverband zum stillen gebracht habe. Nie wieder werde ich ein Messer ohne Sicherung nutzen!

Um 16.23 Uhr befahren wir auf Position N 54°37´49,7´´und E 019°22´01,9´´erstmals russische Gewässer und wie es sich gehört funke ich Russian Boarder Guard an um mich anzumelden – ohne Reaktion von den Russen, stattdessen wünscht die polnisch Boarder Guard mir eine gute Reise.

Die Russen geben bis kurz vor Baltisk keine Antwort, 3 NM vor der Hafenmole meldet sich Baltisk Traffic und gibt mir konkrete Kursanweisungen. Da mein Radarreflektor die gesamte Zeit und ohne kurze Pausen auf Senden steht, gehe ich davon aus, dass die Jungs mich die gesamte Zeit auf ihrem Schirm hatten. Gegen 20.00 Uhr erreichen wir die Hafeneinfahrt von Baltisk, mit uns 3 Schiffe der russischen Marine die neben erbärmlichen Gestank auch ebenso erbärmliche Wellen machen… Baltisk Traffic lotst mich über Funk ( mit exakten Kursangaben – jolago change your course to 062 degrees … ) direkt zum Pier 81, dem Zollpier für Sportschiffe, welchen wir um 21.30 Uhr erreichen. Abgesehen davon, dass dieser Zollpier sich direkt neben dem Containerterminal befindet und eher nach einem Abwrackhafen als nach einer Zollstelle aussieht, täuscht man sich dann auch gewaltig wenn es um Anlegehilfe geht. Nach 17 Stunden auf See wäre diese ganz hilfreich, die Damen verziehen jedoch keine Miene und schauen in aller Ruhe beim Anlegen zu… Die Einreiseprozedur sollte aber erst noch beginnen.

Die beiden nicht englisch oder deutsch sprechende Zollbeamtinnen nehmen mich in Empfang, kontrollieren meinen Pass, die Bootspapiere und eine der beiden Damen verschwindet dann mit diesen in ein Gebäude. Nach nur 10 Minuten kommt sie zurück, jedoch nicht allein. Bei ihr sind drei weitere Herren und ein Hund. Ich werde aufgefordert zwei der Herren und die eine Zöllnerin an Bord zu lassen um Crewlisten, Einreisedokument und eine ordentliche Durchsicht des gesamten Schiffs zu ermöglichen. Ordentliche Durchsicht bedeutet, dass die Taschen auf den Pier gestellt wurden und der Hund seinen Job beginnen durfte. Während die Herren jedes Schapp, jeden Verschlag und jede Backskiste geöffnet und durchsucht haben… Nach geschlagenen 2 Stunden ist alles vorbei und ich bekomme meine Stempel und die erforderlichen Dokumente überreicht.

Da jetzt noch 20 Meilen Seekanal ( unter Motor aber in völliger Dunkelheit ) vor mir liegen, ich völlig fertig bin, meine Wunde schmerzt und zu allem Überfluss auch noch eine Erkältung im Anmarsch ist verhandel ich mit Baltisk Traffic und dem Zoll, über Nacht am Pier zu bleiben. Es klappt und einer der Beamten darf die Nacht ebenfalls am Pier verbringen, auf einem Stuhl und lediglich eine Regenabdeckung über ihm. Geschieht ihm recht ! 😉

Nach Freigabe durch Baltisk Traffic, lege ich um 6.00 Uhr am kommenden Morgen ab um die 20 Meilen nach Kaliningrad zu motoren. Vorbei an einer ganzen Armada russischer Kriegsschiffe

öffnet sich vor uns ein absolut atemberaubender Anblick. Der Blick ins Frische Haff.

Kurz nachdem wir die Einfahrt zum Frischen Haff passiert haben überholen uns im Seekanal mehrere russische Fischer, jeder grüßt sehr freundlich und ein Schiff macht sein Beiboot klar um mich auf russisch willkommen zu heissen.

Denn als PRESENTE WILLKOMME RUSSKI gibt es einen leckeren, frischen Fisch. Als ich zum Dank eine halbe Flasche Rum, sowie eine halbe Salami rüber reiche wandert wortlos ein zweiter Fisch über die Reling.

Die Rumflasche hat ca 1/4 Seemeile gehalten und ist dann prompt über die Reling des Fischkutters gewandert, die Jungs sind langsamer gefahren und haben sich nochmal bedankt GUTE SCHNAPS GUTE SCHNAPS, scheinbar hat ihnen der Rum gemundet…

Die weitere Fahrt über den Seekanal ist eher sehr trist und geprägt von immer brauner werdenden Wasser. Wie ich später erfahre, wandert scheinbar die gesamte Kaliningrader Kloake direkt in den Seekanal… Die Brühe ist so braun, dass ich noch nicht mal mehr meinen Propeller vom Aussenborder sehen kann.

Beim Versuch aus dem Seekanal auszulaufen und mit Kurs 122° zur ( nicht vorhandenen ) Fahrwassertonne des Frischen Haff zu gelangen um den Kaliningrader Yachtclub anzusteuern bin ich zweimal auf Schlick gelaufen. Da weit und breit keine Tonne in Sicht ist, mache ich kehrt und verhole jolågo und mich in die Innenstadt. Die Fishboat Marina ist ein Bootshandel der vorrangig Princess Yachten um die 40 Fuss verkauft. „These are Fishboats my friend only for fun“ sagt Valentin, der Chef der Marina nach Ankunft zu mir. Das ist Russland, denke ich mir… 40 Fuss, zum Angeln…. Zur Feier meiner Ankunft weist Valentin seinen Technical Chief Alexej an, die Fische auszunehmen und den Grill anzuschmeissen. Das hat sich gelohnt, der Fisch war ein Gedicht und das Wässerchen dazu ebenfalls… Das Gelände ist eine typische Werft bzw. Handel und gleicht weniger einem Sportboothafen. Der Vorteil : Alles ist bewacht, Nachts bewachen neben einem ehemaligen russichen Armisten ein Rottweiler und ein deutscher Schäferhund das Gelände. Dies hat zur Folge das ein Verlassen der Steganlange nach 18.00 Uhr eher ungünstig wäre 😉 Denn auf eine Begegnung mit einem der beiden Vierbeiner möchte ich lieber verzichten.

Am kommenden Tag will ich mir die Stadt ansehen. Kaliningrad ist häßlich, stinkig und es gibt ausser einem geschlossenen U-Boot Museum nichts zu sehen. Hinzu kommt meine Erkältung, die mir den Rest gibt und nach einem Stadtbummel in der Kaliningrader Plattenbau City kehre ich gegen 15.00 Uhr zum Hafen zurück. Wie die Russen so sind, ist es für Valentin Anlass genug ein Schwein zu grillen um sich so für den gestrigen Fisch erkenntlich zu zeigen. Wieder muss Alexej ran und den Grill anschmeissen. Es gibt einen der besten Schaschlik Spiesse die ich bis jetzt gegessen habe, das kann jedoch auch an dem dazugehörigen Wässerchen liegen 😉 Da ich noch Sprit benötige und es noch Einkäufe zu erledigen gibt, wird Maxim zum Hafen beordert. Maxim ist Fischer und Taxifahrer. Viel wichtiger jedoch, er spricht perfektes Englisch und so können alle Erledigungen sehr schnell und unkompliziert realisiert werden.

Am Abend, ich liege bereits in meiner Koje höre ich vertraute Motorengeräusche und sehe raus. Die Happy Our mit Andrea und Karsten läuft ein und so gibt es noch ein Anlegebier und regen Erfahrungsaustausch über diese (wundervolle) Stadt.

Am kommenden morgen, Freitag den 22.4, will ich weiter. Raus aus Kaliningrad, raus aus Russland. Leider ist das nicht ganz so einfach denn erst einmal kamen die netten Kollegen der Russian Custom Control wieder auf mein Schiff. Diesmal waren 4 Personen auf meinem Schiff, zwei weitere haben mit geschulterter Kalaschnikow am Pier gestanden und das ganze beobachtet. Es folgten noch Fotos von meinem Schiff aus der Vorder-, Rück- und „jeder“ Seitenansicht. Nach 1 Stunde war der Spuk diesmal vorbei und ich durfte weiter.

Jedoch heisst weiter in russischen Gewässern nicht gleich weiter. Wie auf den Seekarten zu sehen, ist der gesamte russische Seeraum nördlich von Baltisk ein Meer voller Sperrgebiete

und ausgerechnet heute fahren die Russen dort ein komplett Manöver und haben alle Gebiete bis auf die 117 und 117A geschlossen. Für uns bedeutet dies aufkreuzen bei 3-7 Knoten Wind in einem 2 NM breiten Korridor und wehe, wehe wir kommen auch nur mit dem Bug in eine der Sperrzonen. Dann kommen so schnell wie man es kaum glauben mag russische Marineboote und über CH16 unheimlich laute, russische Aufforderungen ( denen ich nur das Wort jolago ! JOLAGO !! entnehmen kann ) asap meinen Kurs zu korrigieren.

So geht es die gesamte Nacht hindurch und immer wieder hört und sieht man Beschuss von Land und Seeseite. Das ganze fand ich ziemlich beängstigend und war sehr, ja sehr froh – als wir um 10.21 Uhr auf Position N 55°29´035´´und E 020°21´57,9´´Litauische Gewässer und somit wieder EU Gewässer unterm Kiel hatten. Dies hatte auch zur Folge das eine Seemeile nach passieren der Grenze über CH 16 die Litauische Coast Guard „sailing vessel in position…“ gerufen hat und mich nach Herkunft, Crewstärke, Nationality, Port of Registry und Zielhafen gefragt hat. Der Bitte, mich bei befahren des Klaipedischen Seekanals über Funkt zu melden komme ich gern nach.

Das Einklarieren in Litauen war sehr professionell und eher lustig, denn als erstes sind wir am Zollpier ( Pier 42 ) im Schlick stecken geblieben. Klasse, dann brauche ich wenigstens keine Festmacher und der Zollbeamte hat es ebenfalls mit Humor genommen. „No Problem, we can jump“ – was nach der Frage ob es ok sei, wenn sie an Bord kommen, sofort in die Tat umgesetzt wurde.

Einige Fragen zur Herkunft ( wobei die Jungs eher wissen wollten wie ich Kaliningrad fand und was für ein Schiffsty die jolago ist), Schiffsdokumente, Pass und die obligatorischen Fragen nach Alkohol, Zigaretten und Waffen. Fertig !

Einmal um die Ecke in den Kastellhafen und wir liegen sehr ruhig, sicher und in bester Gesellschaft in Litauen, welches mir seit dem ersten Moment ziemlich gut gefällt! Die Brücke zum Kastellhafen musste ich gemeinsam mit dem Hafenmeister öffnen, da sein zweiter Mann schon Feierabend hatte. Eine willkommene Abwechslung.

Heute werde ich mir erst einmal in Ruhe Klaipeda ansehen, Wäsche waschen und einige Reparaturen am Schiff machen, bevor es dann morgen im Laufe des Tages nach Nida geht.

Handbreit und Schoten dicht !

jolågo und Ingo

PS. Fotos der letzten Tage sind wie gehabt in der Rubrik Fotos zu finden